"... fotografieren ist eine Passion."
Emanuel Wallimann fotografiert seit zehn Jahren für das Stanser Theater und andere (Theater-) Produktionen. Er arbeitet als Grafiker in einer Werbe- und Eventagentur.
Emanuel Wallimann: Du fotografierst besonders gerne kulturelle Anlässe wie Theater und Konzerte. Warum? Und wie kamst Du zur Theater-Fotografie?
Ich bin generell sehr kultur-affin und daher seit Jahren in verschiedenen Vereinen aktiv. Als ich mit der Fotografie begann, hatte ich meine Kamera immer und überall dabei, so auch an Konzerten, Events, etc. Mich fasziniert dabei das Einfangen der Emotionen und der Stimmung die in der Luft liegt, und aus fotografischer Sicht auch den "richtigen Moment" zu erwischen.
Ich stelle es mir schwierig vor, bei einem Theaterstück die richtigen Momente zu erwischen. Da ist ja ganz viel Bewegung. Wie löst Du das?
Genau. Das ist das Spannende daran. Als Fotograf kann ich nichts am Foto-Sujet selber kontrollieren oder beeinflussen. Licht, Bewegungen und so weiter sind vorgegeben und ich kann dabei natürlich auch nicht "wünschen" wie ich es haben möchte.
Technisch gesehen stellt das Theater die Herausforderung, dass meistens viel zu wenig Licht und viel zu schnelle Bewegungen zusammen kommen. Das heisst, viele Fotos würden unscharf werden bei zu langer Belichtung. Da gilt es die richtige Balance zu finden.
Welche besonderen Herausforderungen stellt die Theater-Fotografie?
Da gibt es gerade so einige ;-) Einerseits hat es generell sehr wenig Licht für die Fotografie. Und wenn, dann kann es auch sehr einseitiges Spot-Licht sein. Dabei spielt das Bühnenbild und die Scheinwerfer-Farbe eine grosse Rolle. Zum Beispiel wirkt rotes Scheinwerfer-Licht auf Gesichtern in der Digitalfotografie meist sehr unschön. Dabei kommen die Farben der Scheinwerfer auf den Fotos viel klarer hervor, als dies das Auge wahrnimmt.
Dazu kommt, dass ich sehr schnell und spontan auf Inhalt, Handlung und Bewegungen reagieren muss um die richtigen Szenen und Emotionen einzufangen. Meist habe ich das Stück vorher noch nie gesehen und muss vor Ort entscheiden, was zu tun ist. Im Theater Stans machen wir das zu zweit, da man zusammen einfach mehr sieht und an einer Generalprobe mehr einfangen kann.
Der Zeitdruck ist im Theaterbereich auch ein grosses Thema. Maske, Licht und Kostüme kommen meist in den letzten Proben dazu. Die Fotos sollen also so spät wie möglich im Probenprozess gemacht werden. An der Premiere sollen sie dann meist auch schon in der Presse erscheinen oder aufgezogen im Theater hängen. Das bringt manche Nachtschicht mit sich.
Hast Du ein paar Tipps und Tricks für uns, wenn wir ebenfalls bewegte Momente, Szenerien bei schlechten Lichtverhältnissen auf einem Bild verewigen wollen?
Das Hauptthema ist dabei der ISO-Wert. Je höher der ISO-Wert, desto lichtempfindlicher die Aufnahme damit man auch mit kurzen Verschlusszeiten arbeiten kann. Je nach Dunkelheit der Szene und ISO-Wert tritt dann aber auch ein unschönes "Bilderrauschen" auf, welches man möglichst vermeiden möchte. So bringt man die Kamera manchmal ganz schön an die Grenzen der Leistung.
Gibt es ein Bild mit einer besonderen Geschichte, dass Du uns zeigen und mit uns teilen möchtest?
An den Endproben finde ich es immer wieder spannend, ein Theater (noch) ohne Publikum zu sehen. Dabei gibt es natürlich auch technisch noch so einiges, was der Besucher später nicht mitkriegt. Diese Szenen welche es nur im Theater gibt, fange ich sehr gerne ein (Bild 1).
Ein Spiel, das ich für mich selber mache, ist das Fotografieren von "Special-Effects" im Theater, wo es dann wirklich auf die richtige Millisekunde ankommt (Bild 2).
Was magst Du an der Theater-Fotografie besonders und warum?
Ich mag die Herausforderung sehr, die richtigen Momente einzufangen und die richtigen Emotionen zu transportieren. Man soll den Bildern ansehen, was für eine Stimmung das Stück vermittelt. Wenn das gelingt, ist es super. Man soll die Charaktere sehen, die da verkörpert werden und auch auf ein Stück "gluschtig" machen, weil es ja nebst einem Erinnerungs-Effekt für die Mitwirkenden auch einen Werbe-Effekt haben soll. Auf der anderen Seite soll man möglichst nicht eine Schlüssel-Szene verraten oder bereits das ganze Bühnenbild zeigen, denn sonst gibt es für das Publikum gar keinen Überraschungs-Effekt mehr.
Wie wählst Du die Bilder aus, die Du weiter bearbeitest? Was beachtest Du dabei?
Das Auswählen der Bilder passiert meist unmittelbar nach einer Endprobe und dauert nicht selten Stunden. Das Bild soll in sich eine kleine Geschichte erzählen mit einer Interaktion zwischen den Figuren. Man soll sich als Betrachter fragen, was da wohl vor sich geht. Der Zeitdruck lässt es dabei nicht zu, alle Bilder zu bearbeiten. Meisten geht es darum ein Bild gerade zu stellen oder leicht anzuschneiden.
Dazu kommt manchmal auch ganz viel Ausschuss-Material, denn sprechende Personen sehen je nach Situation und Körperhaltung nicht immer vorteilhaft auf dem Foto aus.
Was bringt Dir das Fotografieren persönlich?
Es ist erstens mal ein Hobby, eine Passion. Es ist auch ein Spiel für mich, verschiedene fotografische Aufgaben und Aspekte zu lösen: Sei es ein Gewitter-Blitz, die Milchstrasse oder ein Sportanlass. Der Spass steht dabei im Vordergrund und die Herausforderung mit den Fotos eine Geschichte zu erzählen. Natürlich bringt die Theater-Fotografie die Geschichte selber schon mit und ich muss diese nur noch möglichst gut abbilden.
Das Fotografieren bringt natürlich mit sich, dass ich tonnenweise Bildmaterial produziere, welches meine Festplatten füllt. Da freut es mich umso mehr, dass Facebook und Co. mir die Möglichkeit geben, dass auch andere Personen sich vielleicht noch an den Fotos erfreuen.
Du bist Rollstuhlfahrer. Welche Vorteile hat das beim Fotografieren?
Fotografieren ist eine Tätigkeit, die ich weitgehend barrierefrei ausführen kann, ohne Einschränkung und ohne Einbussen beim Resultat der Bilder. Ich habe insofern Vorteile, dass ich massenhaft Fotografen sehe, wie sie beim Fotografieren in die Knie gehen und ich mir dann immer denke, dass ich schon auf der richtigen Höhe bin ;-)
Bei der Theater-Fotografie habe ich aus dem Zuschauerraum gar keine Hindernisse zu fotografieren, kann jedoch manchmal vom Blickwinkel her nicht so spontan reagieren.
Dazu ist bei Petapixel der Artikel "The seated Perspective: Photography from a wheelchair" erschienen.
Welche Interview-Frage wolltest Du schon immer gestellt bekommen und beantworten?
Frage:
Was jetzt folgt ist die meist-gestellte Frage an mich. Ich beantworte sie hiermit ein letztes Mal, damit sie nie mehr gestellt werden muss:
Darfst Du betrunken Rollstuhl fahren?
Antwort: Ja! Und wie.
Welchen Fotografen, welche Fotografin möchtest Du gerne treffen? Worüber würdet ihr euch unterhalten?
Da gäbe es wohl einige. Zum Beispiel Martin Schöller* oder Marco Grob*. Da würde mich interessieren, wie man unter enormen Zeitdruck ein einzigartiges ikonisches Porträt von Menschen macht.
Und Andrew Zuckermann würde ich gerne mal über die Schulter schauen. Seine Bücher über Blumen und Tiere sind einzigartig.
Von welchem fotografischen Projekt träumst Du? Was wünscht Du Dir für Deine fotografische Zukunft?
Privat führe ich eine grosse Liste mit noch offenen Fotoprojekten. Vor allem Serien interessieren mich, zum Beispiel etwas über mehrere Jahre zu dokumentieren. Abwechslung ist mir wichtig, und öfters mal was zu machen, das ich noch nie gemacht habe.
Bei mir ist es eher so, dass mich etwas langweilt, wenn ich herausgefunden habe, wie es funktioniert. Es geht auch darum, immer besser zu werden, technisch wie auch inhaltlich und vielleicht auch mal dabei zu scheitern. Ich glaube, ich habe nie ausgelernt in diesem Bereich.
InHerzlichen Dank für dieses spannende und vielseitige Interview!
Für das Interview: Manuela Ming
Mehr von Emanuel Wallimann:
Alle Bilder wurden uns freundlicherweise von Emanuel Wallmann für dieses Interview zur Verfügung gestellt. Sie unterstehen dem gültigen Urheberrecht!
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Christine Lindner (Sonntag, 10 Juni 2018 08:38)
Danke für diesen interessanten Einblick hinter die Kulissen. Dass sprechende Menschen nicht unbedingt vorteilhaft aussehen müssen habe ich auch schon bemerkt. Umso grösser sann die Fotografen-Kunst - gerade am Theater - ein 'sprechendes Gesicht' einzufangen. Also dann, wenn nicht gesprochen wird, die Aussage trotzdem aufs Bild zu bekommen.
Ein super Interview. DANKE
Manu von Allerlei Impro (Sonntag, 10 Juni 2018 08:42)
Lieben Dank für das Feedback! Ja, Theater-Fotografie ist schon eine besondere Kunst.
Super Sabine (Sabine Krink) (Sonntag, 10 Juni 2018 10:28)
Wow, tolles Interview! Vielen Dank für diese spannenden Einblicke. Ich fand es besonders interessant, über die ganzen Herausforderungen zu lesen .... Klasse, wie intuitiv Emanuel da arbeitet ... und arbeiten "muss", weil schnell entschieden werden muss, was jetzt fotografiert wird und jede Szene gleich wieder um die Ecke sein kann. :-) Das intuitive Arbeiten liegt mir ja auch sehr ;-)
Danke für deine Interviews, Manuela!!!!
Herzensgruß
Super Sabine
Manu von Allerlei Impro (Sonntag, 10 Juni 2018 10:57)
Lieben Dank! Ja, Emanuel ist ein toller Fotograf, nicht nur für‘s Theater.
Intuitives Arbeiten finde ich klasse! <3